Meinung zum Selbstbestimmungs-Gesetz

Veröffentlicht am 13. April 2024 um 20:55

Wann tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft?

Selbstbestimmungsgesetz Meinung

Nun ist es endlich soweit. Das alte Transsexuellengesetz(TSG) soll nun durch das Selbstbestimmungsgesetz(SBGG) abgelöst werde. Dieses Gesetz wurde am 12.04.2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und soll voraussichtlich am 1. November 2024 in Kraft treten. Vielen Transsexuellen ist hier sicher ein Stein vom Herzen gefallen da dieses Gesetz das Verfahren zur Vornamens- und Personenstandänderung stark vereinfachen soll. 

Das alte TSG im Vergleich zum neuen SBGG

Bisher musste man für die Vornamens- und Personenstandänderung den langwierigen und teils sehr erniedrigenden Weg über das TSG gehen. Auch ich bin diesen Weg gegangen, da ich nicht Jahrelang auf das SBGG warten wollte. Für dieses Verfahren musste ich einen Antrag bei meinem zuständigen Amtsgericht stellen. Diese schickten mich zu zwei unabhängigen Psychiatern, die psychologische Gutachten über mich erstellen sollten. Deren Fragen waren teilweise echt unter der Gürtellinie. Es ging hauptsächlich um meine Sexualität und  Vorlieben. Bis heute frage ich mich was die Sexualität mit der Geschlechtsidentität zu tun hat? Eigentlich nichts! Aber andererseits kann ich mir auch vorstellen das er mich mit dem intimen Fragen testen wollte, ob ich wirklich transident bin und nicht aus sexueller Lust heraus meinen Namen und Geschlechtseintrag ändern möchte. Aber trotzdem waren einige Fragen für mich nicht nachvollziehbar. Wie zum Beispiel wie oft ich Stuhlgang hätte und welche Konsistenz die Schei..e hätte. Und x-mal kam die Frage ob ich vielleicht nicht einfach nur Schwul wäre?

Aber ich habe diese beiden Gutachten dennoch gut überstanden und wurde dann anschließend noch einmal vor Gericht angehört, wo dann beschlossen wurde das mein Vorname in Anna und mein Geschlechtseintrag in weiblich geändert wird.  Kurz gefasst ich musste es schlussendlich beweisen, das ich tatsächlich trans* bin und mir dabei auch verdammt sicher bin. Es wurde geprüft das es nicht zu erwarten wäre, das ich mein Geschlechtsempfinden noch einmal ändern würde. Das gesamte Verfahren dauerte bei mir ca. 9 Monate

Mit dem neuen SBGG sollen zukünftig keine Gutachten für die Vornamens- und Personenstandsänderung(VäPä) mehr nötig sein. Auch die Vorladung vom Gericht, soll den Betroffenen erspart bleiben. Auch soll das Verfahren keine 8-14 Monate mehr dauern. Zukünftig kann man beim zuständigen Standesamt einen Antrag auf die VäPä stellen. Dann gibt es eine Wartezeit von 3 Monaten, bis man persönlich Vorsprechen und seine Transsexualität mündlich dem Standesbeamten erklären kann. Laut aktuellen Stand, soll die Änderung des Vornamen und des Geschlechts in männlich, weiblich oder divers, dann sofort rechtskräftig werden. Anschließend soll es nach einem Jahr Sperrfrist, dann wieder möglich werden, das Geschlecht und Vornamen ändern zu lassen.

Zu beachten gilt: Das neue Transsexuellengesetz(SBGG) gilt nur für die Vornamens und Geschlechtsänderung, aber nicht für medizinische Behandlungen! Hier bleibt alles wie gehabt. 

Meine Meinung als Transfrau zum neuen SBGG

Selbstbestimmungsgesetz Kritik

Prinzipiell finde ich es gut das das mittlerweile 40 Jahre alte und teils für verfassungswidrige TSG endlich abgelöst wird und das Verfahren vereinfacht und wesentlich kostengünstiger wird. Denoch bereiten mir hier einige Dinge Bauchschmerzen.

Akzeptanz: Ich befürchte das die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Transpersonen wieder stagnieren oder sinken wird, da ja im Prinzip JEDER einen Antrag auf VäPä stellen kann ohne das hier irgendwas von einem Psychologen abgesegnet wird. Jeder kann im Prinzip damit seine Transidentität selbst diagnostizieren. Bisher mussten Menschen wie ich, sich diese Diagnose mehrfach bestätigen lassen und darum kämpfen eine VäPä vor Gericht durch zu bekommen. Dadurch konnten wir bisher der Gesellschaft beweisen, das wir dies nicht aus sexueller Motivation oder einer kurzfristigen Phase heraus tun. 

Des weiteren befürchte ich auch eine steigende Inakzeptanz, innerhalb der Gemeinschaft der transidenten Menschen. Bereits jetzt gibt es Transmenschen, die der Meinung sind das manche nicht *trans genug wären, nur weil sie den Weg nicht bis zum Schluss gehen möchten oder Teile davon auslassen. Sicherlich wird es hier untereinander auch zu Ausgrenzungen kommen, da es Trans-Menschen mit gesicherter Diagnose gibt und andere sie nicht haben werden.

Außerdem finde ich es vom Gesetzgeber unmöglich das Beschlossen wurde, das man jedes Jahr sein Geschlecht ändern lassen kann. Sicherlich gibt dies eine Sicherheit für Personen die sich ggf. mit ihrer Geschlechtsidentität geirrt haben sollten. Aber dies schafft keine Akzeptanz vor der Gesellschaft! Wie sollen Transpersonen auch ernst genommen werden, wenn wir alle Nase lang unser Geschlecht ändern lassen können? Da wundert es mich wirklich nicht mehr das in den sozialen Medien, mittlerweile so viele Witze auf Kosten von Transgender gepostet werden. Meiner Meinung nach sollte der Rückweg aufgrund eines Irrtums trotzdem gegeben sein. Von mir aus ab einem Jahr nach der Änderung. Doch wer den Weg zurück geht, dem sollte es anschließend nicht mehr frei stehen, jedes weitere Jahr etwas ändern lassen zu können.

Das Hausrecht:

Hausrecht Transfrauen

Was darf eine Transperson und was darf sie nicht? Darf eine Transfrau auf die Damentoilette oder ins Frauenhaus? Dies alles regelt das neue Selbstbestimmungsgesetz nicht. Es wird hier auf das Hausrecht verwiesen. Ich halte dies für sehr fragwürdig. Sehr schnell kann es hier zu weiterer Inakzeptanz in der Gesellschaft kommen. Nehmen wir mal an: 2-3 Restaurantbesitzer verweisen auf das Hausrecht und schicken Transfrauen auf die Männertoilette, da sie ihrer Meinung nicht auf das Frauen-WC gehören. Durch Facebook, Insta, TikTok und Co, geht dies wie ein Lauffeuer durch die sozialen Medien und viele weitere Geschäftsleute werden hier mitziehen. Und ganz schnell wird dann der Ausschluss von Transfrauen in Frauenschutzräumen zur Normalität. Dies würde dann zu einem Zwangsouting, und übergriffen auf Transfrauen führen, wenn dieses Szenario tatsächlich Realität werden würde. Auch ich als Transfrau, hätte Angst vor sexuellen Übergriffen von Männern, wenn ich die Männer-WC´s benutzen müsste. Ich nenne es die gesetzliche Erlaubnis zur Diskriminierung, unter dem Deckmantel "Hausrecht"

Zum Thema Frauenhäuser wollte ich noch erwähnen das viele Transfrauen in der normalen gesellschaftlichen Rolle der Frau leben und auch oft mit Männern in einer Beziehung leben. Und auch hier kann es zur häuslichen Gewalt kommen und Transfrauen somit Schutzbedürftig werden. Transidente Frauen haben häufig die gleichen Probleme wie Cis-Frauen. Daher frage ich mich weshalb man sie trotzdem von den "Frauenrechten" ausschließen darf?

Wie denkst du über das neue Selbstbestimmungsgesetz? Schreibe es gerne in den Kommentaren

Quelle und weiterführende Infos zum Selbstbestimmungsgesetz: BMFSFJ

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