Emotionale Kälte - Eingesperrt in mir selbst

Veröffentlicht am 31. März 2024 um 20:56

Schmerzen und Ausgrenzung

In der Grundschule, sowie auch auf der weiterführenden Schule war ich bis zur 8. Klasse stets unbeliebt. Ich war das typische Opfer, die Person die anders war, nicht in der Gesellschaft passte und zu schwach war sich zu wehren. Ich war nie wie die anderen Jungs.

Ich war emotionaler, verletzlicher und und ruhiger. Ich fühlte mich eher in der Gesellschaft der Mädels wohler, da sie mir viel ähnlicher waren und wir auch gemeinsame Interessen teilten. Doch auch sie akzeptierten mich nicht als Jungen mit femininen Charakterzügen in ihren Cliquen. Aber zumindest waren sie nicht die Personen die mir täglich psychische noch körperliche Gewalt antaten.

Ab ins innerliche Gefängnis

Ab der 9. Klasse hielt ich den emotionalen Schmerz durch das tägliche Mobbing nicht mehr aus. Ich konnte nicht mehr. Ich war doch innerlich nur ein verletzliches Mädchen. Also fing ich mich an zu verstellen. Ich baute eine Mauer, eine Art Schutzschild um mich herum auf. Ich war plötzlich unfähig Schmerz zu verspüren. Ich passte mich erstmals den anderen Mitschülern an. Ich fing an zu rauchen, ich machte mich über Lehrer lustig und tat alles um cool zu sein und dazu zu gehören. Dies gelang mir auch sehr gut. Zum ersten mal in meinem Leben wurde ich akzeptiert.

So entkam ich der Hölle der täglichen Schmerzen. Jedoch ohne zu wissen das ich damit eine viel schlimmere Hölle betrat. Mein innerliches Gefängnis. Es war kalt und ohne Emotionen. Ich konnte seit diesem Zeitpunkt nicht mehr aus mir heraus. Ich war nicht mehr in der Lage Gefühle zu zeigen und hatte Schwierigkeiten sie zu empfangen.

Dies zog sich bis vor meinem Coming Out im Jahre 2022 hin. Ein Ereignis werde ich nie vergessen, wofür ich mich heute noch hasse: Eines Tages kam ein Arbeitskollege völlig geknickt in dem Laden. Meine Chefin fragte ihm was los sei. "Er antwortete das seine Frau gegen Mittag verstorben sei". Ich war wie gelähmt und saß wie festgeklebt auf meinem Bürostuhl und konnte einfach nicht aus mir heraus. Wie gerne wäre ich aufgestanden, hätte ihm umarmt, getröstet und mein Beileid ausgesprochen. Doch ich konnte nicht. Ich war eingesperrt in mein innerliches Gefängnis. Dieses Verhalten meinerseits tut mir immer noch sehr Leid. Umso froher bin ich das ich diese Blockade heute komplett gelöst habe und meine Gefühle und Emotionen wieder zeigen kann.

Mein männliches Ich - Ein Theaterstück

Die fehlenden Emotionen machten mich sehr einsam, ich verlor dadurch viele Freunde und Partnerschaften. Zunehmens wurde ich von Jahr zu Jahr depressiver, weil ich nicht mehr ich selbst sein konnte. Ich spielte einfach nur noch eine Rolle wie in einem Theaterstück und tat was die Gesellschaft von mir verlangte um dazu zu gehören und bloß nicht aus der Rolle zu fallen.

Zunehmens hasste ich mich und meinem Körper immer mehr. Ich war mir peinlich. Mein männliches Aussehen war mir peinlich. Ich fand mich hässlich und konnte mich nicht mit meinem Spiegelbild identifizieren. Zu gerne hätte ich mir im Erwachsenenalter wieder die Haare lang wachsen lassen. Aber ich konnte einfach nicht, weil ich Angst davor hatte was dann die anderen über mich sagen würden. Also spielte ich auch hier meine Rolle immer weiter und scherte mir regelmäßig die Haare um nicht aufzufallen.

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