Meine Vornamens- und Personenstandsänderung

Veröffentlicht am 8. Mai 2024 um 09:21

So schnell wir möglich...

Personenstandsänderung TSG

Nach meinem Outing im März 2022, konnte mir nichts schnell genug gehen. Ich war wie ein Damm der brach. Nichts und niemand konnte mich mehr aufhalten. Es ging nicht mehr anders. Ich wurde von Euphorie, Glück und Zuversicht getragen. Ich war endlich frei und wollte nach jahrzehntelangen zögern und verstecken, endlich zu mir stehen. Ich wollte mich nicht mehr verstellen und unter einer falschen Geschlechtsidentität weiter Leben. Das konnte ich nicht mehr. So informierte ich mich im Internet, über die Vorgehensweise wie man einen Antrag auf Vornamens- und Personenstandsänderung(VäPä) vor dem Amtsgericht stellt. Diesen schickte ich dann im Mai 2022 ab.

Namensfindung - Ich bin Anna

Kommen wir zur Frage wie ich auf den Namen "Anna" überhaupt kam? Mir war von vornherein völlig klar: "Ich bin Anna". Ich liebte diesen Namen schon immer. Das bin einfach ich! Für mich gab es somit tatsächlich keine Namenssuche. Vermutlich wurde ich als Kind von dem Lied "A-N-N-A von Freundeskreis" inspiriert. Ich mag dieses Lied. Auch heute höre ich es mir ganz gerne mal wieder an. Dieser Name war schon immer sehr in meinem Kopf verankert. Selbst vor meinem Outing benutzte ich ihn sehr häufig als Nickname, für Online-Spiele. Mir wäre niemals in den Sinn gekommen mich damals mit meinem männlichen Namen in Spielen anzumelden.

Die Antragstellung  auf VäPä nach dem TSG

Meine Vornamens- und Personenstandsänderung habe ich noch über dem alten Weg, über das Transsexuellengesetz beantragt. Dafür habe ich einen formlosen Antrag, sowie einen Translebenslauf geschrieben, dem ich den Antrag beifügte. Dieser Lebenslauf, über den transsexuellen Werdegang, war damals Pflicht. Er sollte wohl als kleiner Beweis diesen, das man tatsächlich transsexuell ist und sich nicht irgendwas ausdenkt. Doch dies alleine, sollte vor Gericht, als Beweis dafür, nicht ausreichen.

Weitere Unterlagen die ich dem Antrag für die Prozesskostenhilfe beilegen musste waren:

  • Antrag auf Prozesskostenhilfe
  • Verdienstbescheinigungen
  • Ausdruck vom letzten Kontoauszug
  • Mietvertrag
  • Kopie des Personalausweises
  • Aktuelle Meldebescheinigung

Die Pflicht zur psychologischen Begutachtung

Nach der Antragstellung dauerte es nur wenige Wochen bis ich vom Amtsgericht eine Antwort bekam. Da ich selbst keine Gutachter vorgeschlagen hatte, wiesen sie mir zwei Gutachter zu, bei denen ich mich melden und einen Termin vereinbaren sollte. Selbstverständlich erledigte ich dies sofort. Ich glaube ca. 3 Wochen später hatte ich dann auch die Termine. Da beide in der gleichen Stadt ihre Praxis hatten, gelang es mir sogar beide Termine am gleichen Tag zu legen. So war es für mich mit der Fahrerei ein Abwasch. Und zeitlich passte dies auch perfekt zusammen.

Vorladung Gericht TSG

Je Gutachten wurden ca. 2h veranschlagt. Zwischen den beiden Terminen hatte ich eine Stunde Zeit. Theoretisch hätte ich es so locker zum zweiten Termin geschafft.  

Das 1. Psychologische Gutachten

An diesem Tag hatte ich das Problem, das es mir psychisch wirklich sehr schlecht ging. Ich war zu der Zeit gerade in der Trennung mit meiner Frau. Und daran hatte ich wirklich schwer zu knappern, da sie meine einzige Bezugsperson war, die ich in diesem Zeitraum hatte. Ich war aufgelöst und stand auch ziemlich neben mir. Auf gut Deutsch: Ich war völlig im Arsch!

Zur ersten Begutachtung öffnete mir eine ältere Dame, mit einem freundlichen Lächeln die Tür. Nachdem sie mich durch ein Labyrinth an Räumen geführt hatte, bot sie mir ihr Gegenüber, einen Platz an. Nach der Aufnahme der Personalien, dachte ich eigentlich das sie mit ihren Fragen beginnen würde... Aber sie stellte keine, sondern wollte das ich von mir aus meine Geschichte, in Bezug zur Transsexualität erzählte.

Ab und an stellte sie dann doch Zwischenfragen und setzte mich unter Druck. Sie fragte mich öfters wann ich mal zum Punkt kommen würde. Ich fand das total komisch, das ich die ganze Geschichte erzählen soll, zumal ich ihr ja meinen ausführlichen Translebenslauf mitbrachte, wo genau das gleiche drinnen stand. Unangenehme Fragen zu meiner Sexualität kamen zum Glück nicht. Dennoch war das ganze Gespräch sehr anstrengend und gerade in meinem emotionalen Zustand sehr belastend. Zum Glück stand sie den Tag sehr unter Zeitdruck, so das wir das Gespräch dann auch tatsächlich beenden konnten. Sie versprach mir das Gutachten schnellstmöglich fertig zu machen und dem Gericht zuzusenden.

Bei der Verabschiedung meinte sie das ich mich jederzeit an sie wenden könnte wenn ich auf meinem Transweg irgendwann Hilfe bräuchte. Ich bedankte mich bei ihr und machte mich auf dem Weg zum nächsten Termin bei einem Psychiater. 

Das 2. Psychologische Gutachten

Nach dem 2 Stündigen Gespräch, für das erste Gutachten, war ich noch mehr durcheinander. Ich konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Dennoch machte ich mich auf dem Weg um das zweite Gutachten gleich hinterher zu machen. Ich wollte es einfach nur hinter mir bringen. Doch leider hatte ich echt Probleme mit meinem Smartphone. Das GPS ging nur extrem ungenau und machte die Navigation mit dem Auto durch die Stadt fast unmöglich. Irgendwann fand ich dann die Straße, die auf der Terminbestätigung des Psychiaters stand. Ich parkte das Auto und suchte die Hausnummer. Es war zum verrückt werden. Genau die Hausnummer wo ich hin musste, fehlte in dieser Straße. Ich verstand es nicht und begann zu verzweifeln. 

Verwirrt Transsexualität

Ich war schon auf und dran einfach mal anzurufen und nachzufragen, wo die Praxis denn genau sei? Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich fasste mir an den Kopf, als ich begriff was hier schief lief. Konnte das denn wirklich wahr sein? Ich starrte auf der Einladung in meiner Hand.  Ja tatsächlich! Ich hatte die ganze Zeit auf der Anschrift geguckt und nach meiner eigenen Straße und Hausnummer gesucht. Ich fragte mich wie bekloppt ich denn eigentlich sei? Dann gab ich auf dem Smartphone die korrekte Adresse ein. Zum Glück saß der Arzt nur wenige Fußminuten entfernt. Ich begann dorthin zu sprinten, denn die Zeit wurde schon verdammt knapp. Völlig aus der Puste, kam ich dann bei der Praxis an, die eigentlich vielmehr einem normalen Privathaus glich.

Ich klingelte. Die Tür wurde mir von einem älteren, ernst blickenden Mann, mit ergrautem Haar geöffnet. Ich wurde von ihm in einem Kellerraum geführt. Ich fand es sehr gruselig und ungewöhnlich. Aber dies war anscheinend sein normaler Behandlungsraum bzw. Sprechzimmer. Dieses Gespräch verlief völlig anders wie das erste. Die ersten Fragen bezogen sich auf meine allgemeine Gesundheit. Körperlich sowie psychisch. Unter anderen waren das Fragen wie oft ich Stuhlgang hätte und welche Konsistenz der Kot hätte? Ich fand es sehr unangenehm darauf antworten zu müssen. Und vor allem was hat dies mit Transsexualität zu tun?

Anschließend kamen sehr viele unangenehme Fragen zu meiner Sexualität. Zum Beispiel: "Ob ich mal meine Partnerin darum gebeten hätte, mich am Anus zu manipulieren?" Ja die Frage hat er tatsächlich so wortwörtlich gestellt. Auch kam die Frage ob es sein könnte, das ich nicht einfach Schwul wäre? Im späteren Gesprächsverlauf versuchte er mich immer wieder aus dem Konzept zu bringen, indem er mich in meinen Ausführungen unterbrach und zwischenrief "Sicher das sie nicht schwul sind?" Doch ich antwortete ihm stets sehr höflich, das ich mir da sogar sehr sicher sei.

Ich habe echt keine Ahnung wie ich es schaffte dieses Gespräch durchzustehen. Der Typ hatte mir echt den Rest gegeben für den Tag. Aber ich habe es geschafft. Und das ist etwas worauf ich heute noch sehr stolz bin. Bei der Verabschiedung meinte er das ich ungefähr in drei Wochen mit seinem Gutachten rechnen könne.

Das ewige warten

Nach den beiden Terminen zur Begutachtung, begann das unendliche Warten, welches für mich von Woche zu Woche, unerträglicher wurde. Nach drei Wochen, kam vom Amtsgericht der erste Brief, mit der Kopie des ersten Gutachtens. Nun fehlte ja nur noch das von dem älterem Herren, mit den unangenehmen Fragen. Bei dem hatte ich auch echt bedenken ob das Gutachten ebenfalls für mich positiv ausfallen würde? Denn schließlich würde ich ohne dem, vor Gericht nicht weiter kommen. Bis zum letzten Tag spielte die Angst das irgendetwas am Ende nicht klappt, für mich eine große Rolle. Als nach 8 Wochen immer noch kein Gutachten von dem Herrn da war, rief ich bei ihm an. Er meinte ich solle mich noch bitte gedulden. Er würde es zeitnah fertig machen. 

Warten auf Gutachten

Ich konnte es kaum erwarten und schaute täglich 2-3 mal im Briefkasten, ob der Schriebs schon da ist. 4 Wochen später lag er dann tatsächlich im Kasten. Ein paar Tage später, kam dann auch die Einladung zur Anhörung vor Gericht bei mir an. Und zum Glück war auch dieses Gutachten positiv. 4 Wochen später ging es dann vor Gericht. 

Der Gerichtstermin zur VäPä

Die Anreise trat ich hier auch wieder mit dem PKW früh morgens an. Ich musste durch die Großstatt, inmitten des Berufsverkehrs. Daher plante ich mir auch eine Stunde Pufferzeit ein, um bloß nicht zu spät zu kommen. Was ich nicht wusste, war das sich auf der Strecke eine Baustelle befand und ich deshalb längere Zeit im Stau stehen musste. Ich hatte Angst, schon beinahe Panik diesen für mich so wichtigen Termin, nicht rechtzeitig zu schaffen. Aber am Ende verlief alles gut und ich kam pünktlich an. Bevor ich das Gebäude betrat war ich unglaublich nervös und rief meine Frau an. Sie schaffte es ein wenig mich am Telefon zu beruhigen und mir Mut zu machen. Wir waren zwar getrennt, aber versuchten dennoch so gut wie es ging füreinander da zu sein. Und das war sie in diesem bewegenden Moment auch. Ich zeigte der Wache im Gerichtsgebäude meine Vorladung, suchte mir dann den Saal und nahm im angrenzenden Wartebereich Platz. 

Zu dem Termin ging ich alleine. Ich hatte niemanden der mich hätte begleiten können. Ich war sehr nervös und aufgeregt. Schließlich hing vieles von diesem Termin ab. Als Glücksbringer hatte ich ein pinkes Hoodiekleid an, welches mir nach dem Outing, meine Frau schenkte. Dieses hatte ich bisher zu allen wichtigen Terminen, in Bezug zu meiner Transition an. Und bisher hatte es mir auch immer Glück gebracht.

Die Richterin kam ca. 10 Minuten zu spät. Sie wirkte sehr kühl und besonnen. Sie bat mich in dem Saal einzutreten und wies mir meinen Platz zu. Zunächst wurden die Personalien abgeglichen und sie eröffnete die Anhörung. Sie fragte mich ob ich die psychologischen Gutachten gelesen und verstanden hätte. Ich bejahte. Anschließend fragte sie mich ob ich zu dieser Sache gerne noch etwas ergänzen oder mich äußern möchte. Da beide Gutachten für mich positiv waren, verneinte ich auch dies. Dann kam noch die Frage ob es bei meinen Wunschnamen Anna bleiben solle. Auch dies bestätigte ich mit einem einfachen "Ja" Anschließend bat sie mich zur Beschlussverkündung aufzustehen.

Namensänderung Amtsgericht
Beschluss VäPä Dokument

Dies war einer der größten und emotionalsten Momente in meinem Leben. Sie verkündete das mein zukünftiger Vorname Anna sein wird und mein Geschlecht als weiblich anzusehen ist. In diesem Moment strahlte ich über das ganze Gesicht und mir liefen Freudentränen übers Gesicht. Und da konnte auch die Richterin nicht mehr ihre kühle Fassade aufrechthalten und lächelte mir zu. Ich verzichtete auf Rechtsmittel. dadurch war der Beschluss sofort wirksam und ich verließ offiziell als Frau, das Gerichtsgebäude.

Anschließend setzte mich ins Auto und ließ diesen Moment einfach eine Weile auf mich wirken. Dann rief ich meine Frau an, um mit ihr meine Freude zu teilen. Sie freute sich wirklich sehr für mich. Denn sie war es schließlich die mich auf diesem Weg bis hierhin stets unterstützte und mir Mut machte. Völlig egal ob getrennt lebend oder nicht. Insgesamt dauerte die Verhandlung 10 Minuten und das gesamte Verfahren, bis zu diesem Termin 7 Monate. Die Verfahrenskosten sind mir nicht bekannt. Diese wurden über die Verfahrenskostenhilfe abgewickelt. Die Verhandlung fand am 02. Dezember statt. Seitdem feiere ich jedes Jahr an diesem Tag, meinen Geburtstag als Anna.

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