Mein Coming Out als Transfrau - Teil 2 (Eltern)

Veröffentlicht am 10. April 2024 um 12:13

Das große Outing bei meinen Eltern

Transsexualität Blog

Zu meinem Eltern hatte ich noch nie ein besonders gutes Verhältnis. Was mir in meiner Kindheit fehlte war das Gefühl von Liebe und Geborgenheit. Meine Eltern konnten ihre Liebe zu mir nie zeigen. Dennoch versuchten sie es... mit materiellen Dingen. Weihnachten überschütteten sie mich immer regerecht mit Geschenken. Das war ihre Art zu zeigen das sie mich lieben. 

Bis heute mag ich aus diesem Grund keine Geschenke. Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit ist das einzige was für mich zählt und von großer Bedeutung ist.

Ich habe immer um darum gekämpft Aufmerksamkeit und vor allem Anerkennung von meinen Eltern zu bekommen. Aber egal was ich tat, nie schien irgendwas gut genug für sie gewesen zu sein. Ich konnte sie mit nichts beeindrucken, weder mit guten Jobs in Führungspositionen, noch mit einem luxuriösem Lebensstil, in einer prachtvollen Mietwohnung.

Nun aber zurück zum Thema... Das Outing fand in meinem damaligen Garten statt. Ich war sehr aufgeregt und gab mir auch viel Mühe bei meinem Outfit. Ich suchte mir ein hübsches Kleid heraus und versuchte mich auch so gut wie möglich zu schminken. Mir war es wichtig mich vor Ihnen nicht mehr zu verstellen und mich einfach zu zeigen wie ich eben bin, weiblich und feminin. Glaubt mir das Herz sprang mir vor Aufregung fast durch die Brust als ich sie ankommen sah. 

Die Begrüßung erfolgte kurz und formlos. Sie setzten sich und ich bot noch Kaffee an bevor wir mit dem Gespräch begannen. Sie fragten mich direkt was bei mir los sei und wie ich angeblich so aus dem nichts heraus darauf kommen würde eine Frau sein zu wollen? Ich versuchte es Ihnen zu erklären, das es absolut nichts plötzliches wäre und ich mich schon immer im falschen Körper gefühlt hätte. Ich erzählte das ich vorher wirklich sehr lange und gründlich nachgedacht hätte ob ich es wirklich möchte und ob ich tatsächlich transsexuell wäre. Doch dieses Argument winkten sie einfach nur ab und meinten das es mal wieder nur einer meiner Phasen wäre, so wie damals mit meiner Gothic-Zeit. Aber selbst dies war nie eine Phase. Auch heute mag ich diesen Style und kleide mich gerne noch so.

Negative Reaktion beim Outing

Dann fragte mich mein Vater, ob ich mir denn überhaupt bewusst wäre, was ich damit anrichten würde? Ich fragte nach was er damit meinte: Seine Antwort lautete: "Ich wäre viel zu schwach dies durchzuziehen und würde den Spott nicht ertragen." Außerdem hätte ich es dann schwer einen Job zu bekommen und weiterhin meine Familie zu ernähren.  Und überhaupt was denke ich mir denn auf welche Toilette ich dann gehen soll, da ich nirgends erwünscht wäre? Mit diesen Reaktionen hätte ich echt nicht gerechnet. Gerade von meinen Eltern hätte ich mir etwas Verständnis und Zuspruch erhofft. Doch dann redete er weiter.

Er meinte sie könnten mich bei diesem Weg nicht unterstützen, den müsse ich schon komplett alleine gehen. Gerne könne ich sie weiterhin besuchen, aber dann bitte nur männlich bekleidet oder nach den Öffnungszeiten ihrer Baumschule. Er meinte sie hätten sich ihr Ansehen und ihre Firma über Jahre hart aufgebaut und würden das keinesfalls von mir kaputt machen lassen. Bei diesem Worten fiel ich echt vom Glauben ab. Es machte mich richtig wütend aber ich war sprachlos und konnte in diesem Moment echt nicht antworten.

Dann sprach er weiter und fragte mich ob es mir denn bewusst wäre was ich damit meinen Kindern antun würde? Er meinte sie wären dann meinetwegen in der Schule Hänseleien und Mobbing ausgesetzt. Dann platze es aus mir heraus... Ich schäumte regerecht vor Wut und schrie meine Eltern an: "Was glaubt ihr denn was passiert wäre, wenn ich mich nicht geoutet hätte? Dann wäre ich jetzt tot!" Ich erzählte Ihnen das ich nicht mehr als "Mann" weiterleben konnte und deshalb diesen Weg, zu meinem wahren Ich gehen MUSS, um weiterleben zu können. Ich fragte oder ob er wirklich der Meinung wäre dass es für meine Kinder besser wäre, wenn ich sie durch einen Suizid im Stich lassen würde? 

Danach kam peinliches Schweigen. Meine Mutter hatte zu dem ganzen Thema gar nix zu sagen gehabt, außer das ich als Kind angeblich nie Anzeichen von Transsexualität gezeigt hätte und sie es daher überhaupt nicht verstehen könne. Dann tranken sie nur noch schnell ihren Kaffee aus und verabschiedeten sich. Nach dem Gespräch ging es mir echt mies. Ich war traurig, wütend und enttäuscht zugleich. Ich hatte danach wieder zwei Wochen mit den Depressionen zu kämpfen. In dieser Zeit entschied ich mich dann den Kontakt zu Ihnen, für immer abzubrechen. 

Was meinst Du? Hättest du an meiner Stelle genauso hart reagiert und den Kontakt abgebrochen? Dann hinterlasse Deine Meinung gerne in den Kommentaren.

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Kommentare

Jeanina Jade
Vor einem Jahr

Hallo Anna, ich bin die Jeanina, bin jetzt 61 Jahre alt und habe immer Angst davor gehabt mich zu outen, bis zum 14.02.2024. Dieser Tag veränderte mein ganzes Leben. Und auch ich erfuhr von meinen Eltern Unverständnis, aber ich blieb Ihnen gegenüber hart, denn sonst wäre ich daran zu Grunde gegangen, noch weiter einen Sohn, Bruder und Mann zu spielen. Ich hatte nur noch im Kopf, Ende der Vorstellung, jetzt bin ich mit leben dran, endlich ich zu sein, ich die Jeanina

Anna Schepler
Vor einem Jahr

Hallo Jeanina,

es ist sehr hart von seinem Eltern so viel Ablehnung zu erfahren. Dennoch sollte man sich sich von Ihnen nicht davon abhalten lassen, glücklich zu sein. Man lebt nur einmal. Und um dieses Leben genießen zu können sollte man nicht eine "zugewiesene Rolle" spielen, sondern einfach man selbst sein dürfen. Der Effekt eines Outings ist unbeschreiblich. Niemand sollte sich davor fürchten, der Gewinn(Die Lebensfreude) ist viel viel größer, wie die negativen Erfahrungen die damit einhergehen.

LG Anna